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Himmelsleiter

Veröffentlicht am 05.02.2015

Die folgenden Texte entstanden in der kreativen Schreibnacht "Blaue Stunden". Sie wurden inspiriert von einem Bild, das eine Holzleiter zeigt, die in den blauen Himmel ragt.

 

Die Leiter

Eigentlich war er nicht vorhanden.

Unbemerkt hatte er sich auf das Schiff geschmuggelt. Als blinder Passagier wollte er reisen, um sich seinen blauen Traum zu erfüllen. Unbeachtet, still und leise wollte er bis zum Horizont, über die Weite des blauen Meeres, unter dem grenzenlosen Dach des Himmels dahin gleiten. Dort ankommen, wo die Hoffnung wohnt, war sein Ziel.

Nun stand er am Deck des Ozeandampfers. Tief atmete er den intensiven Geruch der frisch gestrichenen weißen  Bordwand ein. Er starrte auf die weiß befleckte Leiter, die an der Bordwand lehnte und weit darüber hinaus in das Himmelsblau ragte. Wie ein Weg, den er beschreiten sollte, reckte sie sich dem Himmelsgewölbe entgegen, zeigte ihm die Richtung an, die er einschlagen sollte.

Und er bestieg die erste Sprosse. Er fühlte die Tiefe in der er sich befand, wie eine zentnerschwere Last. An den beiden Holmen Halt suchend, setzte er seinen Fuß auf die zweite Sprosse. Mit jedem Schritt, mit dem er höher stieg, fühlte er, wie die schwere Bürde, die seinen Rücken gekrümmt hatte, leichter wurde, ganz so, als ließe er all den Ballast  hinter sich. Er blickte auf. Unverwandt sah er in die blaue Freiheit, die ihn lockend anstrahlte. Die mit weißer Malerfarbe gesprenkelten, von den  rauhen Winden der Meere verwitterten Holme trugen ihn empor dem Ende der Leiter entgegen. Je mehr er sich an das splittrige Holz der weiß getünchten Rundlinge klammerte, um so tiefer drangen die spitzen Späne in seine feine Haut ein. Doch er spürte diesen Schmerz nicht.  Mit behender Leichtigkeit kletterte er immer höher, immer weiter, erfüllt von dem Gefühl unbändiger Freude, dem niederdrückenden Joch davon zu steigen.

Er fühlte nicht das Schwanken der Leiter, beim Überschreiten des  Scheitelpunktes von Bordwand und atmosphärischer Leere. Den Blick auf den wunderblauen Horizont gerichtet, an dem sich die Unendlichkeit in einer messersplitterblauen Linie erstreckte, stieg er schwerelos weiter. Umfangen von dem himmelsblauen Erdmantel über ihm und dem saphirblauen, schimmernden Ozean unter ihm, fühlte er das Ende seiner Sehnsucht.

Vertrauensvoll ließ er sich von der mayablauen Färbung des Himmels erfassen. Als er mit dem unermesslichen Blau des Kosmos, verschmolz, der sich in der unergründlichen Tiefe des Ozeans spiegelte, hatte er sein Ziel erreicht. Er war am Ende des Weges angekommen. Der blaue Traum war erfüllt.

Er war eigentlich nicht vorhanden.  Doris Kronawitter

 

Die Leiter

Die Holzleiter, die an der weißen Reling lehnt, der nicht sichtbare Teil, der am Schiffsboden aufgestellt ist, bedeutet für mich die Vergangenheit. Sie ist unsichtbar, auf der anderen Seite ragt die Zukunft in den Himmel. 

Die verschwundenen Sprossen sind meine Kindergarten- und Schulzeit.  Sie sind längst vorbei und leben in meiner Erinnerung weiter.  Nein, vergessen sind sie nicht, nur in den Hintergrund gedrängt.  Der erste Kuß, das erste Verliebtsein, die flatternden Schmetterlinge im Bauch zeigen den Weg zur nächsten Sprosse, ein Meilenstein, der meine Jugend geprägt hat.

Voller Neugier steige ich auf die nächsten Sprossen, auf denen ich lange Zeit fest und sicher stehe, bis plötzlich in der Mitte ein Holzbrettchen bricht.  Die Splitter bohren sich tief in meine Fußsohlen. Schnell zur nächsten Sprosse hinaufsteigen und die Schmerzen hinter sich lassen, die Zukunft vor Augen.

Schon schaut mein Kopf über die Reling hinaus und sieht in der hellblauen Ferne bis zum Horizont. Tiefblau, beruhigend und vielversprechend erkenne ich meine Zukunftsperspektiven in der Weite des Meeres.  Die nächste Sprosse gibt den Blick frei auf das azurblaue Wasser, ins Unbekannte.  Ich bin bereit für den Sprung ins eisblaue Wasser.  Schwimmen kann ich gut!  Christine F.

 

Die Leiter

 

Sprosse für Sprosse hinauf, immer höher, immer wackeliger. Das Holz unter seinen blanken Füßen knirscht, die Muskeln schmerzen bereits, aber er muss hinauf, muss das Ende der Leiter erklimmen, von Neugierde getrieben.

Die Sonne brennt auf seinen nackten, braungebrannten Rücken, der Schweiß läuft über Stirn und Schläfen hinab. Dieses Blau! Es zieht ihn an, hypnotisiert ihn geradezu.

Noch zwei Sprossen, dann ist er oben angekommen. Dieser Himmel, diese Farbe scheint zum Greifen nah! Endlich. Er klammert sich an die Leiter, verschnauft einen Moment. Dann wagt er den ersten Blick hinaus, atemlos und begierig. Und gleichzeitig voller Angst, von diesem Blau verschluckt zu werden. Denn es erstreckt sich vor ihm und über ihm, unter ihm und um ihn herum. Ist das der Himmel? Ist es das Meer? Wo endet das Eine, wo beginnt das Andere? Schattierungen und Farben verwirbeln und verschmelzen.

Ihm ist schwindlig, seine Finger umklammern die Holme der Leiter. Das warme, rauhe Holz gibt ihm wieder Sicherheit.Warum ist er hier? Wegen dem Blau und seiner eigenen unbeschreiblichen Sehnsucht danach.

Er sieht wieder klar: dort ist der Himmel, mit Wolken und Möwen. Dort der Horizont. Und unter ihm die endlose glitzernde Fläche des Meeres. Es scheint ihm zuzuwispern, ihn zu locken.

Ich komme, flüstert er,  schwingt ein Bein über die Kante und stößt sich ab. Endlich kommt es auf ihn zu, sein geliebtes Blau, empfängt und umarmt ihn. Bevor er eintaucht, hört er noch den Ruf über ihm: "Mann über Bord!"

Gisela Aidenberger   8.2.2015

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