Wohin mit Gefühlen, die uns stärken? Ab in die Vorratskammern unserer Seele, um in kargen Zeiten darauf zurückgreifen zu können. Und was tun mit schwierigen Gefühlen? Pürieren, lufttrocknen, zersetzen lassen, entsaften - und dann fort damit in die Biotonne. Das gelingt mit kreativem Küchenvokabular und klappt wunderbar.
Freiheit
Wie süße Sahne schlage ich die Freiheit
Auf dass sie fluffig wachse
Über den Topfrand hinaus quillt
Und ich sie diebisch grinsend vernasche.
Traurigkeit
Traurigkeit hängt bitter im Sieb
Ich wasche sie
Mit süßer Marinade bestreich ich ihre Blätter
Und doch wird die Zunge pelzig.
Wut
Ich drehe die Wut durch den Wolf
und vermische sie mit pürierter Niedergeschlagenheit,
danach forme ich die Sinnlosigkeit zu Tränenteig
und werfe den gebackenen Traurigkeitskuchen in die Mülltonne.
Zuversicht
Ich häcksle die Wut in kleine Stücke,
werfe den Ärger weg und füge Optimismus hinzu,
mixe alles mit Zuversicht und Lebensfreude,
schäume die Sehnsucht auf
und füge eine Prise Übermut hinzu.
Heiterkeit
Ich mische Hefe in meine Heiterkeit
stelle sie warm und lasse sie aufgehen
auf dass ich einen großen Lachkuchen backen kann
als Vorrat für traurige Tage
Liebe
Ich zerteile meine Liebe in kleine Häppchen,
lege sie ein in Aspik.
Verziert mit Hoffnungssternchen und Freudenperlen
genieße ich jeden Tag ein Stück.
Neugierde
Man lasse einen Batzen Ungeduld im Topf zerlaufen
füge den gleichen Teil Neugierde dazu
Vorsicht! Kann spritzen und leicht überkochen!
Unter ständigem Rühren einen sämigen Erwartungsbrei zubereiten.
Diesen in kleine Förmchen füllen und im vorgeheizten Ofen
zu goldbraunen Abenteuerlustküchlein backen.
Mit einem Tässchen heißer Phantasie am Nachmittag genießen.
Angst
Viel zu lange habe ich Angst konserviert.
Ich hole sie hervor, nasche vorsichtig,
schmeckt sie abgestanden, abgelaufen ?
Ein schwarzer Bodensatz, grünlicher Schimmer ?
Am besten nicht mehr verwenden,
oder etwa scharf anbraten,
oder versuchen, sie erneut in bauchigen Gläsern einzukochen,
nein,
noch einmal aufschäumen
und dann weg damit,
ab in die Tonne.
Neugierde
Ich strecke meine Neugierde,
so lange bis es nicht mehr geht.
Dann bedecke ich sie mit Eischnee,
stelle das Ganze in den Ofen
bis das Soufflé
riesengroß aufgegangen ist
zu einem Ballon der Neugierde.
Diese Textminiaturen, geschrieben von mehreren Frauen, entstanden in der kreativen ONLiNE-Schreibnacht "Nährstoffe für die Seele" am 9.März 2021