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Schreiben im Atelier Regine Staudt

Veröffentlicht am 05.03.2016

Papierkunstwerk von Regine Staudt

 

Die unerhörte Leichtigkeit des Seins.

Seit längerer Zeit schon kenne ich dieses Buch.

Der Titel alleine fasziniert.

Auch hier im Haus ist es irgendwie faszinierend.

Ich selbst eher der schwere Mensch, im Ausgleich mit der Leichtigkeit.

Das weiße Kleidchen, voller Licht und Energie.

Engelhaft und schwebend.

Ungeordnet, gefaltet und dennoch voller Ordnung.

Obwohl es keinen Menschen umhüllt, ist es voller Menschlichkeit.

Vertraut und rein.

 

Erinnerungen? Frühe Kindheit?

Das kleine Mädchen mit umkränztem Haar, hinter dem Brautpaar Blumen streuend.

Feenhaftes Aufschwingen in den Äther.

Unendlichkeit.

Gar nichts von dieser Schwere meines Lebens.

Frohsinn und ein wenig Himmel.

So anders wie ich.

Genauso wie Wäsche schief an jener Leine hängt.

Faltig, leicht tanzend in dem Wind.

Ohne Ordnung. Friedlich. Abwartend. Offen.

 

Es ist diese Leichtigkeit, die oft im Leben fehlt.

Die vieles entkräften könnte.

Imstande Gewichte wegnehmen.

Vielleicht auch Sichtweisen verändert.

 

Auf in diese stille,

wunderbar heilsame Leichtigkeit,

die mich so inspiriert. 

Eckhard   Bauer

 

Wandlung

Wir sind viele, stehen in Reih und Glied, eng aneinander gedrängt.

Wir sind alt, verstaubt, allein gelassen und vergessen.

Dachten wir, doch dann kommt sie.

Wir werden verpackt und abtransportiert.

Ich, der Dicke, wie mich die anderen nennen, kann es gar nicht fassen.

Sie nimmt mich in die Hand. Wie habe ich das vermisst. Ich werde berührt, meine Seiten ganz langsam umgeblättert.

Ich denke zurück an meine aktive Zeit und ich noch aktuell war. Ich lag auf dem Schreibtisch des Doktors. Da ging es rund, wurde oft hektisch in mir gesucht und ungeduldig mit mir umgegangen. Einmal warf er mich sogar wutentbrannt auf den Boden. Ich habe ihm zugerufen »Hallo, ich kann doch nichts dafür, dass du nicht findest was du suchst«.

Doch er hat mich nicht gehört.

Jetzt ist es anders.

Sie betrachtet mich von allen Seiten, sieht genau hin.

Ich schäme mich fast, für mein Aussehen.

Doch ihrem Blick entgeht nichts. Zart streicht sie über meinen Rücken und legt mich auf einen großen Tisch. Mich ganz alleine.

Wo sind die Anderen?

Sie beginnt vorsichtig meine einzelnen Blätter zu falten. Ich fasse es nicht. Sie knickt mich, drückt die einzelnen Seiten nach innen.

»Hallo, so kann man mich doch nicht mehr lesen!«

Auch sie hört mich nicht. Arbeitet ganz ruhig weiter, Blatt für Blatt.

Was passiert mit mir? Ich bin doch ein Buch!

Wenn ich mich so sehe, fertiggestellt, mit den gefalteten Seiten. Aufgefächert, ein Kunstwerk. Ja, ein Kunstwerk!

Ich werde betrachtet, bewundert und ausgestellt. Eine Schönheit!

Jetzt muss ich mich fast schämen, für meinen wilden Protest. Sie hat etwas ganz besonderes aus mir gemacht. War ich vorher nur ein veralteter, dicker Schinken. Und was bin ich jetzt!

Danke, dass ich jetzt bei dir sein darf.

Meinen Freunden will ich zurufen »Fürchtet euch nicht, eine Künstlerin hat uns zu sich geholt«.

Dagmar Nahler

 

 

                                                                                  Wer trägt mich

 

Vor mir stehen, etwas verknittert und leicht verdreht zwei Säulen. Die größere der beiden hat so etwas wie einen Henkel und in dem, eingeklemmt - ein Fatschenkindl. Alles aus braunem Packpapier.

 

Ich bin zu Besuch bei einer Papierkünstlerin. Beeindruckt und staunend  betrachte ich die vielen Papierfiguren, die von innen beleuchtet, im ganzen Haus verteilt stehen, was eine besondere und märchenhafte Atmosphäre ergibt.

 

Nun sitze ich vor diesen zwei Säulen mit Kind und versuche darin die Heilige Familie zu erkennen. Phantasiemäßig wird einem da ganz schön was abverlangt. Der Titel des Kunstwerkes heißt: Wer trägt mich?

Ich lasse meine Gedanken schweifen und stelle mir nun selbst diese Frage: Wer trägt mich?

 

Nach einer Woche, in der ich im Geiste schon fast auf der anderen Seite war, provisorisch schon mal mit allem abgeschlossen hatte, damit ich nicht überrumpelt werde von der endgültigen Diagnose, die mir eine Heidenangst macht. Doch dann hat zeigt sich, dass ich die Angst ganz umsonst ausgestanden habe.

 

Nun sitze ich hier in diesem fremden Haus und aus jeder Ecke strahlt mich Kreativität an. Elfen tanzen durch die Räume und strahlen von innen. Sie wiegen sich, tanzen für mich und ich möchte mich am liebsten einreihen in diesen Reigen, so leicht fühle ich mich.

 

Mit was habe ich das verdient, so beschenkt zu werden. Mit dem Leben! Ich lebe und werde weiterleben. Macht mich das nun glücklich? Nein eigentlich nicht, eher erstaunt. Denn nun liegt eine schöne Zukunft vor mir, im Gegensatz zu meiner Vergangenheit und Freude steigt in mir auf. Eine Woche lang war jedes Gefühl in mir verschwunden, doch nun ist alles wieder da. Und doch ist es jetzt anders.

 

Elfen tanzen durch die Räume. Ich höre leise Musik, oder ist das wieder mal der Tinnitus der mich narrt. Egal, was es auch ist, auch ich wiege mich nun im Rhythmus. Über mir tickt die Uhr und gibt den Takt an. Ich höre leises Gelächter, mir ist als streiften lange Haare meine Wange. Hände berühren mich, drehen mich, ziehen mich mit sich.

 

Von der Küche in den Wohnraum. Von dort ins Arbeitszimmer und über den Flur wieder in die Küche. Mir ist schwindelig, doch ich drehe mich immer weiter. Arme umschlingen mich. Ich spüre heißen Atem und Lippen an meinem Ohr. Das Leuchten hat auch mich erfasst und eine unglaubliche Leichtigkeit. Dieses Haus ist verzaubert. Das Glück hat mich eingeholt.

 

Ich sitze am Esstisch und schreibe. Über mir tickt die Uhr. Die leuchtenden Figuren stehen unbeweglich an ihrem Platz. Der Zauber ist vorbei. Doch die Nacht und die Leichtigkeit bleiben.

 

Elisabeth Fischer

 

Die Texte entstanden ind er kreativen Schreibnacht im Atelier der Künstlerin am 2.2.2016

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