Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Schreiben über Kunst

Veröffentlicht am 12.11.2014

Manfred Dorner: Die Berührung einer Elfe (Fotocollage, 2011)

Es geschah zwischen Tag und Traum.

Gerade als die Schwere der Nacht mich zentnerschwer bedeckt und den Hoffnungsschimmer des blaugrauen Morgens im Keim zu ersticken suchte, entwich ich meinen Körper.

Schwerelos tauche ich ein in die Nebel des Ahnens. Ich löse mich auf und ziehe mit den sanften Winden der Erinnerung. Graue Schwaden  treiben  mich dem diffusen Licht der Zwischenwelt entgegen. Lautlos nimmt sie mich auf, bedeckt mich, umhüllt mich mit dem tristen Blattwerk des Gestern.

Die Tränen der Vergangenheit werden zu  tanzenden Lichtpunkten, die sich mit mir vereinigen. Warme Hände strecken sich mir entgegen, milchig weiß, geheimnisvoll und doch vertraut. Starke Arme fangen mich  auf. Sie sind erwachsen aus den herbstlichen Blättern der Wehmut. Sanft streicheln sie mich, wo ich mich doch in der Auflösung befinde. Ich bin das grüne Frühlingsblatt, das hineindrängt in diese stille Welt.

Ich werde erwartet.

Schemenhaft steht sie vor mir, und ich verliere mich in ihren Blick. Der wissende Blick dieses Wesens zeigt mir die Unendlichkeit der Welt, der sie entstiegen ist und in die sie mich nun aufnimmt. Den Geschöpfen, die sie hervorbringt haucht sie Licht und Wärme ein.

Sie trägt das Leid und die Qual ihrer geschunden Kreaturen. Das Tragen hat sie stark gemacht, und ich versinke in dieser Stärke. Bin eins mit ihr und den Geschöpfen der Zwischenwelt.

Sie stimmt den Gesang der Elfen an,  und ich fließe mit den geheimnisvollen Tönen des Liedes zurück in meine Welt.

Von Doris Kronawitter

 

Michael Zitzelsberger: Feuermenschen, Fotografie 

Schatten

Ich spüre ihn um mich, neben mir, über mir, in mir.  Er ist mein dunkler Bruder, mein Schatten, mein Freund und mein Feind. Wenn ich „Ja“ sage, sagt er: „Nein!“ – „Auf keinen Fall“ – „Kommt nicht in Frage!“  Er redet dann mit einer unangenehm scharfen Stimme, die blechern klingt und aggressiv.  Ich versuche ihn laut zu übertönen, aber in meinem Innern redet er aufgeregt weiter, gestikuliert wild und stampft erbost mit dem Fuß auf.

Wenn ich „Nein“ sagen will, flüstert er mir  “Ja!“ zu, „Los, sag schon ja!“ Er schmeichelt und lockt, schnurrt wie ein kleiner Kater und wispert mir sanft ins Ohr „Du willst es doch -  sag ja – bitte!“ Und nachts verfolgt er mich dann bis in meine tiefster Träume hinein, er kichert und gurrt und seufzt „Ja! Warum hast du nicht ja gesagt!“ Er tänzelt über mein Kissen, auf das ich wütend einschlage, immer und immer wieder, und er spottet: „Ja! Ja? Jahaa!“, bis ich erschöpft wieder einschlafe.

Es gibt Zeiten des Friedens. Wie schließen feierlich einen Pakt, danach legt er sich in seine Hängematte, stößt sich ab und zu träge mit dem Fuß ab und blinzelt in die Sonne. Diese Momente sind selten, sie bescheren mir stille Nächte, aber auch endlos lange Tage, in denen ich staubige Ebenen durchquere. Eine Zeitlang genieße ich die Ruhe, bis sie mich zu lähmen beginnt und ich ihn am liebsten wachrütteln würde.

Und plötzlich überfällt er mich wieder, vielgestaltig wie eine Hydra.  Und in der Luft, die zu vibrieren scheint, rufen, kreischen, jammern und schreien die Schattenwesen: „Vielleicht“ – „Aber wie kannst du nur!“ – „Doch, du musst!“ – „Aber, meine Liebe!“, bis mein Kopf zu platzen droht, ein Hämmern meine Schläfen bedrängt, meine Lippen zucken, mein Herz sticht und ich mich rasend schnell um mich drehen möchte und schreien, schreien so laut ich kann. 

Von Gesine Hirtler-Rieger 

Diese und weitere Texte entstanden in der Kreativen Schreibnacht am 4.11.2014 "Jenseits der Bilder" im Krankenhaus Vilshofen

 

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?