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Dialoge

Veröffentlicht am 22.03.2016

Der Wert des Lebens

In der Pause dieses Vortrages stehen sich eine Klosterfrau und die Frauenbeauftragte des Landkreises Rottal – Inn, Frau Tanja Mertens, zufällig gegenüber.

„Darf ich Sie direkt ansprechen, Sie als Klosterfrau. Wie gehen Sie mit dem Thema  ,Abtreibung' um ?“

Streng blickt Schwester Gundelindis auf die einen Kopf kleinere Frau herab:

„Das von Gott gesandte Leben ist heilig. Allein die Diskussion dieses Themas ist Ausdruck der Verderbtheit der heutigen Frauengeneration.“

Frau Frauenbeauftragte zieht die Augenbrauen hoch: „Warum nehmen Sie dann überhaupt daran teil?“

Die Klosterfrau erwidert: „Ich verstehe mich selbstverständlich als eine von Gott beauftragte Frau zur Rettung der gestrauchelten Frauen.“

„Sie maßen sich also an, ein Urteil über ihre Geschlechtsgenossinnen und deren Bauch an!“ Frau Mertens bekommt rote Flecken am Hals.

„Ich bin die Braut Christi und als solches geschlechtslos“, tönt die Klosterschwester.

„Sie wissen wohl nicht, was Ihnen entgeht, inclusive der möglichen Folgen?“ fragt ihr Gegenüber.

Mahnend erhebt Schwester Gundelindis ihren Zeigefinger: „Es ist der göttliche Auftrag, für den ich ausersehen wurde, diese unerwünschten Kinder, die Sie als mögliche Folgen bezeichnen, zu gottestreuen Menschen zu erziehen.“

„Aha, frei nach dem Motto, das Kind büßt für den Fehltritt seiner Mutter und wird Klosterschwester.“ Frau Mertens Gesicht ist nun genauso rot wie ihr Hals.

„Das liegt im Bereich des Möglichen,“ räumt die Schwester ein und fährt fort:    „Im Klosterleben herrschen Sitte und Anstand !“

„Ach nein, Sie haben nie irgendwelche Gelüste, so ein netter Frater nach dem Abendbrot,“ höhnt die Beauftragte der Frauen.

„Was erlauben Sie sich,“ entrüstet sich die Klosterfrau, „wir vereinigen uns im Gebet !“

„Na klar, dafür braucht man keine Abtreibung. Allerdings auch keinen Verstand, nur den Glauben.“ Frau Mertens Stimme klirrt.

Nun erhebt auch Schwester Gundelindis ihre Stimme:„Die Frau ist die Keimzelle allen Lebens und dazu braucht man keinen Verstand!“ Wehenden Rockes verschwindet sie in der diskutierenden Menge und lässt die Frauenbeauftragte Tanja Mertens stehen.

Doris Kronawitter und Ursula Ziemsen

Die Texte entstanden in der kreativen Schreibnacht "Er sagt – sie sagt. Dialoge"

 

Sonderbare Begegnung

Die Tür geht auf und im selben Moment ertönt das feine Gebimmel der alten, metallenen Glocke, die jeden Besucher melodisch ankündigt.

„Wunderschönen guten Tag, meine Dame! Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“

Diensteifrig eilt Adalbert Spiekeroog herbei. Dabei rückt er in einer geübten Bewegung sowohl seine Brille als auch sein graues, schütteres Haupthaar zurecht.

„Einen wunderschönen guten Tag auch Ihnen“, erwidert seine Kundschaft etwas geziert, „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie die schönste Porzellansammlung weit und breit haben!“

Dabei nimmt sie elegant ihre große Sonnenbrille ab, lässt sie in ihrer Prada-Handtasche verschwinden und schüttelt gleichzeitig den hellen Seidenschal von ihren langen, dunklen Haaren. Neugierig streichen ihre zarten Finger über eine

filigrane Tasse mit Goldrand.

„Zu freundlich, meine Dame! Aber ich gebe gerne zu, dass sich ein paar wundervolle Stücke in meinem Laden befinden. Wenn ich Ihnen etwas zeigen darf? Bevorzugen Sie den Empire-Stil oder eher viktorianisches Porzellan?“

„Hmm… das ist eine schwierige Frage. Zeigen Sie mir doch einfach das Schönste vom Schönen!“

Adalbert Spiekeroog atmet innerlich tief ein und aus, bevor er antwortet: „Aber selbstverständlich, sehr gerne. Hier habe ich die klassischen Blumendessins aus Meißen, die bestimmt Ihren Geschmack treffen dürften.“

Er mustert seine Besucherin verstohlen, sie kommt ihm vage bekannt vor.

„Verzeihung, durfte ich Sie schon einmal zu meinen geschätzten Kundinnen zählen?“

„Nicht, dass ich wüsste. Aber lassen Sie mal sehen!“

Königlich entschlossen greift sie die angepriesene Meissner Teekanne. Liegt da etwa Staub drauf? Irgendetwas kitzelt sie in der Nase.

„Und hier ist ein fünfzigteiliges Service aus dem Nachlass von Erzherzog Ludwig…“

„Dieser Wüstling! Dieser Schuft! Dass ich gerade hier wieder an ihn erinnert werde, hätte ich nicht erwartet. Ungeheuerlich!“ entrüstet sich die Dame ganz undamenhaft.

Irritiert blickt Adalbert Spiekeroog von seiner Kundin auf das eben angepriesene Service. Etwas seltsam erscheint sie ihm schon.

„Vielleicht trifft das hier eher Ihren Geschmack“, fährt er fort, als hinter ihm ein ohrenbetäubendes Klirren ertönt, das den ganzen Raum erfüllt.

„So, das musste jetzt sein! Das geschieht im Recht, diesem eingebildeten Urgroßonkel Ludwig!“

Sie blickt auf den Scherbenhaufen zu ihren Füßen mit einem ebenso befriedigten wie auch hochmütigen Ausdruck.

Diesen Blick kenne ich doch, denkt er erschreckt und erinnert sich siedend heiß an die Schlagzeile der heutigen Tageszeitung: Prinzessin Adela zu Besuch in Hannover! Darunter ein Bild der königlichen Hoheit mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie gerade eben, als sie mit einem Schulterzucken geziert über die zerbrochenen Porzellanteile stakst und dann grußlos seinen Laden verlässt.

Gisela Aidenberger und Andrea Koppenberger


Im Café

An einem regnerischen Sonntagnachmittag betrat Hanna Oberhofer ihr Lieblingscafé. Alle Tische waren besetzt und nach einem kurzen Blick in die Runde steuerte sie auf einen Tisch am Fenster zu, an dem schon eine Dame saß.

"Guten Tag, mein Name ist Hanna Oberhofer. Darf ich mich zu ihnen setzen?”, fragte sie und ohne eine Antwort abzuwarten zog sie umständlich ihren Mantel aus und hängte ihn an den Kleiderständer. Als sie sich endlich wieder mit fragendem Blick umwandte, kam die Antwort: 

“Aber ja - Lotte Kronschnabel.” 

Ein kleiner, aber doch hörbarer Schmatzer schloß die Vorstellung ab. Mit einem lauten Seufzer der Erleichterung nahm Hanna Platz.

“Ah, ich sehe, Sie trinken weißen Tee, so einen hätte ich auch gerne.” 

Sie gab der Bedienung ein Zeichen.

Lotte taxierte Frau Oberhofers Übergewicht mit einem Blick - 20 Pfund mindestens!

“Weißer Tee entschlackt ja so wunderbar. Ach, jetzt fällt mir auch ein, wieso sie mir so bekannt vorkommen. Voriges Jahr der Abnehmkurs in Passau! ‘10 Pfund in 10 Wochen!’ Frau Oberhofer, wie schön, dass wir uns hier treffen!”

“Aber ja, Sie kamen mir auch gleich so bekannt vor, doch ich hatte Sie viel voller in Erinnerung. Der Kurs hat bei Ihnen ja ein wahres Wunder bewirkt. Bei mir leider nicht so. Sie kennen ja diesen dummen Jo-Jo- Effekt. Wie haben Sie das bloß geschafft?”

“Disziplin, Disziplin! Wenn ich als Diplom- Ökotrophologin scheitern würde, wäre das ein Armutszeugnis.” 

Ein winziges, schmatzendes Geräusch begleitete die Aussage.

“Wie recht Sie doch haben, Frau Kronschnabel. Aber ich muss mir jetzt doch eine Sachertorte bestellen. Der Hunger beult mir den Magen schon nach innen aus.” 

Hanna Oberhofer  winkte der Bedienung und gab ihre Bestellung auf. Und während sie sich auf ihre Torte freute, wartete sie gespannt auf den nächsten kleinen Schmatzer von Frau Lotte Kronschnabel.

Hildegard Frank und Elisabeth Fischer

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