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Nachts in der Europa-Bücherei Passau

Veröffentlicht am 23.05.2016

Da sitzen sie wieder, die Wortpflücker und -setzer und lassen den Kugelschreiber nach ihren Gedanken tanzen, umgeben von Regalen voller Wissen, das sie nicht wissen. Nichtwissen, das sie umhüllt wie die Nacht, in der sie sitzen, der inneren Lichtspur folgend, die sich auf dem Papier des Schreibers materialisiert.

 Wie gut ist doch die Nacht, die das „Außen“ in mir löscht – wie gut ist doch eine Nacht, durch die das Licht des Geistes sichtbar wird, so dass der Schreiber ihm mit dem Stift folgen kann.
Wie gut ist doch ein „Europabücher-Ei“, in dem man sitzen und es ausbrüten kann.

Hubert Glaser
 

 

Zwischen den Büchern die Hängematte


Ich wollte schon immer mal nachts in eine Bücherei gehen, um herauszufinden, was sich dort tut, was es dort gibt.
Naja, geben tut es dort eher etwas, nämlich eine Menge Bücher. Aber tun die auch etwas,  außer herumstehen, wenn sie nicht gerade ausgeliehen werden, und sich auf eine kurze Reise begeben, ins Blaue sozusagen, weil sie ja nie wissen, wo es hingeht?
Menschen träumen in der Nacht und können sich auch daran erinnern, wenn sie aus ihrem Körper herausgeschlüpft sind und sich auf eine nächtliche Urlaubsreise begeben ins Blaue ohne Plan und Ziel.
Die Bücher, ja, auch sie sind Lebewesen, Persönlichkeiten, Individuen mit einer Vita. Sie bekamen als DNA viele Buchstabenstränge mit. Sie haben sich entwickelt, sie sind gereift. Und sie lernen ständig etwas Neues dazu, wenn sie auf Reisen gehen in unbekannte Wohnungen mit fremden Menschen. Für kurze Zeit sind sie dann Untermieter, Familienmitglied sogar.

Sie lernen die Erwachsenen kennen, die Kinder, den Hund, die Katze, die Fische im Aquarium, und Besucher, wenn welche kommen.

Manchmal erleben sie sogar ein Fest mit, Weihnachten oder Geburtstag, und auch mal Streit.

Sie geben und bekommen. Sie teilen sich mit durch das was in ihnen an Worten und Sätzen gespeichert ist, und speichern selbst alles in ihren Seiten auf, was man nicht als gedruckte Buchstaben lesen kann, sondern was man als geheimen Code erst entziffern muß.

Und genau deswegen möchte ich in die Europabücherei gehen, um diesen geheimen Code zu knacken.

Zu blättern, zu riechen, zu fühlen, zu hören ob es leise wispert, ob mich etwas streichelt, ob ein feiner Duft in meine Nase dringt von deren Reisen in das Blaue Sein, in die Blaue Zeit.

Vielleicht kann meine innere unsichtbare Traumwerkstatt Kontakt aufnehmen, sich anschleichen, sich vortasten, und ein wenig flirten mit dem einen oder anderen Buch.

Ich bin überzeugt, dass das eine aufregende Nacht werden könnte, voller Mystik und geheimer Dinge. Ein Flattern, ein Raunen, und ich bin mitten drin! Ein Schweben, ein Tragen, ein Rascheln von Seiten, ein Reigentanz!

Ich würde einfach in ein Regal greifen, ein Buch nehmen, über den Deckel streichen, es hochheben wie den Deckel eines Schatzkästchens und in irgend einen Teil von Europa, in einem Wald, an einem Flussufer, an einem Dorfplatz oder irgendwo im Geiste landen, während ich meinen Körper in einer Hängematte, die ich zwischen die Bücherregale aufgespannt hätte, hängen lassen würde. Nur die Finger bewegen sich, schaffen Raum für die Schätze aus dem Blauen. Die Seiten erzählen flüsternd und nehmen ihrerseits Platz in meinen inneren Traumhängematten der Nacht.

Erzählen würde ich keinem etwas davon. Nur kleine Worte auf kleine Zettel schreiben und die am Tag irgendwo zwischen den Buchseiten verstecken. Vielleicht inspirierte s einen Leser auch, nachts in die Europabücherei zu gehen.

Ilona Haslbauer

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