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Ich bin...

Veröffentlicht am 25.10.2016

Ich bin ein Berg

spärlich noch bewachsen

voller Geröll und Sand

aber widerstandsfähiger

Löwenzahn kämpft sich durch

und die gelben Blütenköpfe

schmücken die steilen unwirtlichen Hänge

und verleihen mir eine neue Pracht

die kräftigen Pfahlwurzeln

dringen in die Tiefe

Dort sieht es nicht so toll aus

Ich bin auf Müll gewachsen

Schicht für Schicht in langen Jahren
 

Ich wusste nicht wohin mit meinem Zeug

wegwerfen wollte ich mich nicht

und andere damit belasten
 

Also habe ich mich behalten

ohne Plan

kein Haus gebaut

nichts Nützliches zustande gebracht

sondern mich nur immer weiter aufgetürmt

bis man mich nicht mehr übersehen konnte 

und rief jedem zu

der an mir vorüberging

sieh her

ich bin da

ich bin nicht nützlich

aber ich bin mir selber wahr
 

Dann habe ich aus der Not

eine Tugend gemacht

ließ mich befruchten

vom Wind

von Vögeln

und Getier
 

Ich lud alle ein mein Gast zu sein

und bei mir zu wohnen
 

Ich bin ein Berg

rühr mich nicht von der Stelle

hab festen Untergrund

strebe in den Himmel
 

Lass kommen wie es kommt

und lass das

was nicht mehr brauchbar ist

in meinem Bauch

zum festen Beiwerk werden

zu Halt und Gerüst
 

Wer graben will

gräbt

und findet mich auch

in der Tiefe gar nicht so unattraktiv
 

Irgendwas war da mal

und dort

man weiß es nicht genau

für was das eine oder andere

gut war oder schlecht
 

So wie ich jetzt bin

ist es mir recht
 

Ilona Haselbauer

 

Die Verwandlung 

Das Leben an sich langweilt mich. Es ödet mich geradezu an. Der Alltagstrott, der Lärm um mich, der Gestank und vor allem die mürrischen Menschen. 

Das einzige, was mich aus diesem tiefen Tal der Unzufriedenheit herausreißt, ist die Musik. Nicht irgendeine Musik, nein, es ist der Klang der Hirtenflöte, deren silbrige Töne sich in den Abendhimmel schwingen. 

Eines Abends sitze ich im Wald auf einem knorrigen alten Baumstamm und lausche in die Stille. Da, ganz in meiner Nähe, höre ich sie plötzlich, diese glockenhellen Töne, die sich aufschwingen und verweilen, wie eine Kette mit Perlen, um dann wieder wie eine Wasserfontäne herabzufallen, um dann erneut jubilierend aufzusteigen. Die Töne reihen sich aneinander zu einer Melodie, die mich unendlich traurig macht. 

Leise stehe ich auf und versuche den Flötenspieler zu finden, doch wie weit ich auch gehe, die Musik bleibt stets im gleichen Abstand zu mir. Langsam versinkt der Wald in Dunkelheit und ich weiß nicht mehr wo ich bin. 

Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Teil dieser Musik zu sein. Und plötzlich spüre ich ein heftiges Ziehen in meinem Körper. Ich schrumpfe, meine Haut wird hart und ich bin nicht mehr aus Fleisch und Blut.

Und ich fühle, wie ein Junge mich in seinen Händen hält, mich an seine Lippen führt und wie diese wunderbaren Töne aus mir kommen.

Ich jubiliere, denn nun bin ich es, ich bin die Hirtenflöte. Ich bin die glockenhellen Töne und ich bin Musik. Für immer. 

 Elisabeth Fischer

 

Die Texte entstanden in der kreativen Schreibnacht "Verwandlungen" am 11. Oktober 2016

 

 

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